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Offener Brief an OB Felix Heinrichs

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Heinrichs,

in seinem Buch „Bewußtseinswandel“ äußert Carl Friedrich von Weizsäcker die Hoffnung, dass die Probleme der modernen Welt „durch gemeinsame Anstregung der Vernunft“ lösbar seien, um sogleich zu relativieren:  „Ich behaupte auch, daß unsere politischen Ordnungen, unser gesellschaftlicher Zustand und unsere seelische Verfassung diese gemeinsame Vernunft fast unmöglich machen“.  Bewußtseinswandel heißt die Aufgabe.


Seitdem die Trilogie Gefahrenbaum, Sichtachse und Angstraum als Leitgedanke der Mönchengladbacher Grünpflege fungiert, mehren sich bei uns die Anfragen und Beschwerden besorgter Bürger. Vogelschutzgehölze fallen während der Brutzeit der Säge zum Opfer, die Anzahl verletzter oder getöteter Igel wächst mit jeder Mäharbeit und der seit Kindertagen geliebte Baum wurde gerodet, verstümmelt oder in eine häßliche Holzskulptur verwandelt.

 

Die Kritik an den Planungen zum Radschnellweg und zur Umgestaltung des Geroparks ist ein vorläufiger Höhepunkt der Empörung. Es befremdet Bürgerinnen und Bürger, dass Beträge in Millionenhöhe kalkuliert werden, preiswertere und das Landschaftsgefüge schonende Alternativen aber, die von engagierten Anwohnern oder den Naturschutzverbänden erarbeitet wurden, keine Berücksichtigung finden.


So würde z.B. die geplante Trassenführung des Radschnellweges zwischen Eicken und der nördlichen Stadtgrenze (Donk) einen seit Jahrzehnten nicht mehr genutzten Bahndamm, der zwischenzeitlich zu einem ökologisch wertvollen Linienbiotop heranwuchs, zerstören; die Alternative einer parallelen Streckenführung hingegen seinen Erhalt gewährleisten.
Vergleichbares gilt für den Geropark, allerdings findet hier die ökologische Problematik eine soziokulturelle Erweiterung. Der Park ist in seiner jetzigen Form bei Anwohnern und Besuchern aller Gesellschaftsschichten, vom Lebensalter unabhängig, beliebter und leicht erreichbarer Ort der Naherholung und der Freizeitgestaltung. Er ist Spielplatz, Liegewiese und Wanderweg, ein Ort der Ruhe oder ein Platz für Feierlichkeiten aller Art. Der Park ist identitätsstiftende Heimat, deren Merkmal es ist, mit jeder Veränderung an Qualität zu verlieren.


Der ökologische Wert einer Parkanlage ähnelt der Bedeutung des Waldes, wenn auch mit einer Pflanzengesellschaft, die es in der Natur nicht gibt. Für den Sauerstoff-Kohlendioxid-Haushalt ist der Geropark mit seinem derzeitigen Bestand an Althölzern ein nicht ersetzbares innerstädtisches Wäldchen.


In diesem Zusammenhang kann nicht oft genug wiederholt werden, dass Althölzer durch Neupflanzungen nicht ersetzt, nur ergänzt werden können, und es muß die Frage gestellt werden, welchen Sinn es hat, Bäume zu roden, um neue Bäume zu pflanzen.
Wie in einem Wald durchzieht das Wurzelwerk der Bäume in enger Verflechtung das Gelände, sodass Erdarbeiten auch in nur geringer Tiefe zu erheblichen Verletzungen oder zum Absterben der Bäume führen würden.


Der Geropark beheimatet die Arten des Siedlungsraums, Grün- und Buntspecht, Kleiber und Eichhörnchen können bei jedem Besuch beobachtet werden. Mit großer Wahrscheinlichkeit, ich beziehe mich auf Begehungen der jüngsten Vergangenheit, gibt es ein Vorkommem planungsrelevanter Fledermausarten. Eine Kartierung wäre notwendig, sie liegt bislang nicht vor.

 

Bereits ein Bruchteil der kalkulierten Millionensumme fände an anderer Stelle eine sinnvollere Verwendung. Das Personal der Unteren Naturschutzbehörde könnte um Mitarbeiter/innen bereichert werden oder der Landschaftsplan eine schnellere Verwirklichung finden.
Im Süden der Stadt wächst der unbedingt schützenswerte, aber bis heute nur unzureichend geschützte Buchholzer Wald. Es ist ein naturnaher Laubmischwald, der in seinem jetzigen Zustand den in der BRD und Europa propagierten Urwäldern von morgen entspricht und der zum Modellbeispiel der Mönchengadbacher Natur- und Klimapolitik werden könnte.

 

Wie Sie meiner Diktion entnehmen können, habe ich mich erkühnt, gleich vier Vorschläge in einem Brief zusammenzufassen.

 

Als Abschluß erlaube ich mir eine fünfte Anfrage:
Die Vorsitzende des NABU NRW, Frau Dr. Heide Naderer, plant für den 3. bis 7. Mai eine Fahrradtour von Düsseldorf nach Aachen, von NABU zu NABU-Verband, mit einem Aufenthalt in Mönchengladbach, der, sofern Corona es erlaubt, Gesprächen mit Vertretern des öffentlichen Lebens dienen soll. Wir würden uns freuen, Sie zu einem Gedankenaustausch begrüßen zu dürfen.
(Der geplante Termin ist Montag, der 3. Mai, ca. 13.00 bis 15.30 Uhr) Für Rückfragen stehe ich jederzeit zur Verfügung.


Mit freundlichen Grüßen
Kurt Sasserath – NABU Mönchengladbach

 

Foto: Grünspecht an einem Altholz im Geropark


Ortstermin am Geropark mit dem NABU-Baumsachverständigen Markus Rotzal