Die kleinsten europäischen Vögel sind die Goldhähnchen und sie sind zugleich auch die wahren Könige unserer Vogelwelt und nicht etwa der Zaunkönig, der bei uns allgemein diese Majestätsbezeichnung führt. Regulus, so die lateinische Gattungsbezeichnung für Goldhähnchen, bedeutet nämlich kleiner König. Der schwarze Längsstreifen am Scheitel des Winzlings wirkt bildhaft wie ein Kopfdiadem eines gekrönten Hauptes; besonders dann, wenn sich die Scheitelfedern bei Erregung aufrichten.
Wir unterscheiden in Mitteleuropa zwischen dem Winter- und dem Sommergoldhähnchen, die sich in Größe, Gewicht und Gefiederfärbung kaum unterscheiden. Nicht nur deshalb hielt man bis weit ins 19. Jahrhundert hinein beide Goldhähnchen noch für eine Art, sondern auch wegen ihres fast identischen Verhaltens und Nahrungsspektrums. Im Winter sieht man bei uns in der Regel nur das Wintergoldhähnchen; daher auch die Bezeichnung. Sommergoldhähnchen hingegen ziehen normalerweise im Herbst Richtung Mittelmeer. Aufgrund des Klimawandels bleiben jedoch immer mehr Sommergoldhähnchen im Winter in Mitteleuropa.
Zu sehen bekommt man die bei uns spärlich vorkommenden Vogelzwerge nicht allzu leicht und wenn, dann nur sehr flüchtig. Die gut getarnten Vögelchen halten sich meistens im oberen Bereich hoher Fichten und Tannen auf und bewegen sich stets rastlos und unruhig im hohen Geäst. Ihre wie Mäusepiepen sehr dünnen Ruflaute, die sich anhören wie ein „si-si-si“ oder „sit-sit-sit“, sind von derart hoher Frequenz, dass viele ältere Personen diese hellen Töne nicht mehr wahrnehmen können. Im Winter ziehen Wintergoldhähnchen nicht selten in gemischten Trupps zusammen mit Meisen und Baumläufern umher, denn in der Gemeinschaft fühlt man sich schließlich sicherer. Bei Futternot verlieren sie die Scheu vor Menschen und suchen hin und wieder Futterhäuser auf.
Trotz ihrer winzigen Körpergröße können die so zart wirkenden Goldhähnchen im Winter einiges an Wetterunbill vertragen. Sogar Temperaturen von minus 20 Grad und mehr überleben sie, solange ausreichend energiereiche Nahrung vorhanden ist. Der Energiebedarf des Vogelzwerges ist enorm hoch. Kein Wunder bei dieser stets nervös und flattrig wirkenden Verhaltensweise mit Schwirrflügen wie ein Kolibri. Bei fehlendem Nahrungsangebot verlieren sie schnell an Gewicht und können innerhalb von ein paar Stunden verhungern. Im Winter, wenn Tannen, Zweige und Blätter vereist sind, führt das oft zu hohen Sterblichkeitsraten unter den Goldhähnchen. Schneelagen machen ihnen weniger aus. Dann schlüpfen sie durch die Lücken der Schneehauben in die Wipfel besonders von Nadelbäumen und stöbern dort Kleininsekten auf.
Text: Ludwig Winkens, 02/22
Fotos: Willi Eckers
Größe | Leichter und kleiner als ein Zaunkönig; Körperlänge ca. 8 bis 9 cm; Gewicht um 5g |
Nahrung | Kleine Insekten, Spinnen und Puppen |
Brut | Meist 2 Bruten im Jahr; 6 bis 11 Eier, die so klein wie Erbsen sind. |
Vorkommen |
Bevorzugt Nadelwälder, kommt aber auch in Mischwäldern, Parks und Friedhöfen mit Nadelbaumbestand vor. |